Winterharter - Winterhärtester Rosmarin

0. Vorweg 

Vorweg möchte ich betonen, dass mir als Geograph und biodynamisch arbeitendem Kräutergärtner die Erklärungen in großen Zusammenhängen mit vielen Hintergründen wichtig sind, um so besser verdeutlichen zu können, was die verschiedenen Qualitäten tatsächlich ausmachen!

1. Name

Der Name des Rosmarins wird aus dem Lateinischen abgeleitet von „ros“-Tau und „marinus“-Meer, was so viel bedeutet wie der Tau des Meeres, da sich nachts in den Blüten Tautröpfchen bilden. 

2. Herkunft

Er ist im gesamten Mittelmeergebiet verbreitet, vor allem in der Garigues und der Macchia. Jedoch hört das Mittelmeergebiet nicht bei Spanien, Italien, Frankreich oder Griechenland auf. Südlich des Mittelmeeres ist der Rosmarin ebenfalls verbreitet und stammt ursprünglicherweise aus dem heiß-trockenen Afrika bis in den Sudan hinein.

Da, wo der Rosmarin seinen Ursprung hat, ist das Ausgangsgestein ein Kalkgestein. Daher gedeiht er auch bei uns am besten auf kalkhaltigem, trockenem, durchlässigem Boden mit viel Sonne und Wärme. Er verträgt keine Staunässe, und wurzelt oft bis in die Tiefe von 3-4 Metern. 

3. „Empfindlichkeit“ des Rosmarins und wesensgemäße Betrachtung

Der Rosmarin wird immer wieder als empfindlich betitelt. Tatsächlich ist er eine der „empfindlicheren“ mediterranen Kräuterpflanzen. 

Für uns in der biodynamischen Gärtnerei Lichtenborner Kräuter ist es von großer Wichtigkeit, dass wir das Wesen einer Kräuterpflanze bzw. jedes Lebewesen tief verstehen. Deshalb nehmen wir uns auch im Alltag Zeit zum achtsamen Innehalten und langen Beobachten der Pflanzen. 

So verwenden wir den von Demester geprägten Begriff "wesensgemäß" und nicht "artgerecht"!

Wird so eine wärmeliebende Pflanze aus Afrika in das Gebiet der „Norddeutschen Nieselwälder“ „entführt“, wird deutlich, dass sie hier friert und sich bei der kühlen Feuchtigkeit unwohl fühlt. Wenn dann Pflanzenkrankheiten auftreten, behaupten viele Menschen, Rosmarin sei empfindlich. Zum Wesen eines Rosmarins gehört es jedoch in warmen Klimaten zu wachsen und nicht in solch feuchten Regionen.

Um das besser zu verdeutlichen, ist es gut, sich vorzustellen, wie es uns wohl erginge, wenn wir aus Deutschland in die Arktis führen ohne uns dort zu schützen. Wir müssten uns erstmal langsam abhärten.

So ein Prozess der Akklimatisierung muss bei allen Lebewesen langsam erfolgen. Und bis zu einem gewissen Grad ist dies auch möglich, so auch beim Rosmarin. Prinzipiell ist dies auch in den vergangenen 1200 Jahren geschehen, seitdem Karl der Große viele Kräutergärten anlegen ließ. 

Trotzdem gibt es keinen absolut winterharten Rosmarin in unseren Breiten! Daher reden wir lieber von dem „winterhärtesten“ Rosmarin. 

4. Woran man schlechte und wirklich sehr gute Qualität erkennt

In der heutigen globalisierten Wirtschaftswelt, wo es hauptsächlich um das schnelle Geld und das erhaschen von „Konsumenten“ geht, können sie überall Rosmarinpflanzen erwerben. Oft werden diese mittlerweile auch als winterhart oder winterfest betitelt. Sie können sie in Discountern, Supermarktketten, Gartencentern, Baummärkten oder auf dem Wochenmarkt an Gemüseständen oder sogar in einer klassischen Gärtnerei erwerben; mittlerweile auch in Bioqualität. 

Solche Pflanzen haben meistens einen tiefen Preis und eine billige Qualität. 

Sie haben oft folgenden Produktionsweg hinter sich:

Sie stammen entweder 

a) aus einem Treibhaus aus Deutschland oder Holland, oder 

b) aus dem heißen, südlichen Europa, i.d.R. aus Italien, Spanien oder Frankreich.

a) Pflanzen aus dem Treibhaus

Sie werden mit viel Wärme, Feuchtigkeit und Dünger angezogen. Im Winter werden sie noch zusätzlich mit einem Speziallicht künstlich beleuchtet. Die Pflanzen wachsen dadurch schneller als es ihrem Wesen entspricht und weisen dadurch eine große Blattmasse auf. 

Solche Pflanzen werden in den Großbetrieben zu Millionen angezogen. 

Nachdem sie eine entsprechende Größe aufweisen, werden sie mit einer Plastiktüte um die gesamte Pflanze versehen, in einen Karton verpackt und zum Großhändler geliefert. Dieser stellt sie zum Gemüse in das Kühllager bei 6°C Grad, denn Kräuter werden dort als Frischwaren betrachtet und entsprechend behandelt. Für Kräuterbunde kann es ja auch sinnvoll sein, aber für lebende Kräuterpflanzen nicht!

Dort setzt schon der Prozess der Verpilzung der Pflanzen und der Erde ein, was mit dem bloßem Auge jedoch noch nicht unbedingt zu erkennen ist.

Von dort werden sie an den Einzelhandel ausgeliefert, und dann vom Verkaufspersonal oft zu viel gegossen. Die Verpilzung der Pflanzen schreitet noch stärker voran.

b) Haben die Pflanzen ihre Herkunft in Italien, Spanien oder Frankreich, dann wurden sie auch dort mit sehr viel Wärme und Dünger angezogen. Kommen diese Rosmarinpflanzen dann in unsere Gefilde, lassen sie die obersten Triebspitzen oft schon hängen, was ein Zeichen dafür ist, dass sie frieren und einen Kälteschock erleiden. 

Dass solche Pflanzen in diesen Ländern angezogen werden, hat folgenden Hintergrund: Die Transportkosten aus den genannten Ländern nach Deutschland sind oft geringer als die Heizkosten für ein Treibhaus vor Ort! 

Solche Pflanzen sollen vor allem schön aussehen und den Kunden optisch ansprechen. Und da der Preis tief und die Qualität billig ist, ist es den Käufern auch oft egal, ob solche Pflanzen kurz oder lange leben. „Ich benötige mal schnell viel Rosmarin für das Essen heute Abend…“ Solch einer Einstellung begegne ich auf dem Markt oft. Also geht es um die Mentalität „schnell, billig und verbrauchen“, um dann schließlich den „Rest“ der Pflanze zu entsorgen.

Die Kultivierung von Rosmarin bei uns in der Lichtenborner Kräutergärtnerei

Aus den genannten Gründen kultivieren wir Rosmarin in unserer Gärtnerei mit biodynamischer Anbauweise komplett anders:

Zunächst lassen wir unseren Pflanzen die Zeit, die sie zum langsamen Wachstum benötigen; kein Antreiben im Treibhaus, sondern eher bei kühleren Temperaturen im Gewächshaus, aber lieber zu trocken als zu feucht. Wir verwenden keinerlei Dünger, selbst wenn die Pflanzen phasenweise hellgrüne bis leicht gelbliche Nadeln aufweisen. Und im Winter stehen sie i.d.R. im Freiland bei bis zu -22°C.

Langsames Wachstum bedeutet für unsere Bio-Kräuter, dass sich das Verholzungsgewebe stärker ausbilden kann und die Pflanzen kräftiger sind. 

Wie besagt eine alte Redensart: „Das Gras wächst nicht schneller, auch wenn man daran zieht“.

Unsere Rosmarin-Mutterpflanzen in der Gärtnerei sind mittlerweile vor knapp 10 Jahren in das Freiland gepflanzt worden und wurden von uns im Winter noch nie abgedeckt! 

Dazu muss erwähnt werden, dass unsere Gärtnerei auf etwa 350m Höhe liegt, hier in der Winterzeit sehr starke Ostwinde vorherrschen, es viel Westregen und im Sommer pralle Sonne gibt. Das bedeutet, dass diese Mutterpflanzen sehr, sehr kräftig abgehärtet sind. Von diesen Mutterpflanzen stammen unsere Stecklinge.

Die zu kultivierenden Bio-Kräuter stehen nur kurz im Gewächshaus und danach verbringen sie die Zeit, bis sie verkauft werden, überwiegend im Freiland. Durch solch eine Kultivierung weisen sie eine recht starke Verholzung auf. 

Diese verholzten und abgehärteten Pflanzen mit einem insgesamt kräftigen Habitus und einer starken Verwurzelung stellen natürlich eine komplett andere Qualität dar, als die billigen Treibhauspflanzen bei den oben beschriebenen Verkaufsstationen.

Gerade im ungewöhnlichen und strengen Winter 2017/18 haben unsere Rosmarinpflanzen sogar heftige Kahlfröste bis -15°C mit Ostorkan überstanden. Einige Zweige waren zwar abgestorben, aber die Pflanzen erholten sich im Sommer wieder prächtig! Und heute ist von den Schäden nahezu nichts mehr zu erkennen.

Wenn die Pflanzen in die Gärten der Kunden kommen, sind diese Rosmarinpflanzen i.d.R. mindestens 1,5 bis zu 3,5 Jahre alt. Dass diese Pflanzen aus unserer Kräuter-Gartnerei weitaus besser überwintern als andere, ist völlig klar.

5. Winterhärte

Trotzdem gilt auch für unsere Pflanzen, dass es keinen absolut winterharten Rosmarin gibt, weil der Rosmarin in unseren Breiten meistens seine nördlichste Verbreitungsgrenze erreicht hat. Allerdings weiß ich von unseren Kunden, dass die bei uns erworbenen Rosmarine sogar noch in Süd- bis Mittelschweden wunderbar wachsen.

Auch der Standort spielt eine entscheidende Rolle. So kann eine Sorte, die bis -10°C winterhart ist, ohne Schwierigkeiten an einem idealen Standort 20 Jahre alt werden, so z.B. oft in der Braunschweiger Gegend. Genauso kann ein bis -22°C winterharter Rosmarin den Winter nicht überleben, wenn es wie in der Kasseler Gegend klimatisch zu feucht/zu kalt ist.

6. Drei weitere Faktoren sollten Sie noch beachten:

a) Der Standort

Eine große Besonderheit des Rosmarins ist, dass er zu den Frühblühern gehört und schon im März in Blüte stehen kann. Der Gehalt an ätherischen Ölen der Pflanze ist zu dieser Zeit am höchsten, die Zellen sind prall gefüllt. Wenn es zu dieser Jahreszeit Nachtfröste mit klarem Himmel gibt, führt das dazu, dass sich durch den Sonnenschein am Morgen die prall gefüllten Zellen plötzlich erwärmen und ausdehnen müssen. Dabei können die Zellen platzen und der Rosmarin stirbt ab. Deshalb sollte die Pflanze einen Standort haben, wo die Sonne im März erst ab ca. 11 Uhr scheint, damit sich die Zellen des Rosmarins langsam erwärmen und akklimatisieren können.

b) Die Sorte

Es gibt verschiedene Rosmarinsorten mit unterschiedlicher Winterhärte. Die Sorten aus unserem Kräutershop, der „Rosmarin Rex“ und „Arp“, sind bis -22°C und mehr winterhart. 

„Arp“ ist mehltauresistenter, nur unwesentlich winterhärter als „Rex“ und zieht Zikaden weniger an.

„Rex“ wächst dafür buschiger und weist eine höhere Blattmasse auf. 

Jeder Rosmarin ist aber auch, wie oben beschrieben, sehr stark vom Standort a

Im ersten Winter können Sie den Rosmarin mit nur EINER LAGE JUTE abdecken, jedoch nur so lange, bis der Schnee getaut bzw. die Nächte mit starkem Frost vorbei sind. Die Jute führt dazu, dass die starke Sonneneinstrahlung abgemildert und anfallende Feuchtigkeit durch die Luftlöcher abtransportiert wird.

Unter Reisig jedoch kann sich oft Feuchtigkeit bilden, und durch feuchte Kälte entstehen sehr leicht Pilze, die den Rosmarin absterben lassen können. 

Daher raten wir dringend von Reisig ab! 

7. Zikaden am Rosmarin als Zeichen des Klimawandels

Die Zikaden sind eindeutig ein Zeichen der Klimaerwärmung!

Sie kommen seit geraumer Zeit aus dem Mittelmeergebiet vermehrt zu uns in die gemäßigten Breiten. Zikaden knabbern an den Rosmarinnadeln, wodurch diese gelbe Einstichwunden bekommen. Es sieht zwar nicht „schön“ aus, ist aber für unseren Verzehr nicht problematisch und schädigt die Pflanze i.d.R. nur minimal.
Problematisch ist eher der von uns Menschen hervorgerufene Klimawandel!

Zikaden haben in unseren Breiten als einzigen natürlichen „Gegenspieler“ die große Kälte mit starken Minustemperaturen. 

Das einzige wirksame organische Mittel ist Quassia (Bitterbaum aus Indien). Nach dem Einsprühen schmeckt auch die Pflanze sehr bitter. Deshalb wenden wir es selten an, und wenn, dann im November, um der Pflanze die Zeit zu geben, die sie benötigt, um die Bitterstoffe abzubauen. Aber wie schon an anderer Stelle erwähnt, gibt es für uns keine sogenannten Schädlinge!

An dieser Stelle eine alte buddhistische Weisheit: 

Menschen, Tiere und Pflanzen haben mindestens drei Dinge gemeinsam:
Sie wollen satt werden, sich vermehren und glücklich sein.“

Das trifft halt auch für die Zikaden am Rosmarin zu.

Es gilt mit der Natur teilen zu lernen und es auszuhalten, dass andere Wesen dieselben Ziele haben wie wir Menschen. Davon stirbt der Rosmarin jedoch in der Regel nicht ab.

Nun wünschen wir Ihnen mit „unseren“ Rosmarinen nach biodynamischem Standard eine glückliche Zeit und vergessen Sie nicht das Wichtigste: achtsames Innehalten, Beobachten, Staunen, um das Wesensgemäße der Rosmarinpflanze tief zu erfassen.

Selbstverständlich können Sie bei uns im Online-Shop alle unsere Bio-Kräuter erwerben.


Seien Sie herzlichst gegrüßt,

Michael Brodda und Team