Wesensgemäßes Zurückschneiden der Kräuterpflanzen im März und April

Wesensgemäßes Zurückschneiden der Kräuterpflanzen im März und April

Was bedeutet wesensgemäß?

Für uns als biodynamische Kräutergärtnerei ist es von zentraler Bedeutung, dass wir wesensgemäß und so liebevoll und achtsam wie möglich mit den Pflanzen und dem Planeten umgehen. Um das Wesen einer Pflanze im Tiefsten zu verstehen, ist es eine wunderbare Methode, sich die Zeit zu nehmen, eine Pflanze zu beobachten und zu erkennen: Wie sieht sie aus, woher stammt sie ursprünglich und warum ist sie so, wie sie ist?

Allein die Größe und die Form der Blätter der Pflanzen sind bereits sehr aufschlussreich. So haben z.B. mediterrane Kräuter aufgrund der starken Sonneneinstrahlung und der Wärme verschiedene Schutzmechanismen entwickelt, um trotz Wassermangels nicht auszutrocknen. Thymian hat sehr kleine Blättchen, die Blätter des Rosmarinstrauches haben sich zur Nadel herausgebildet und Salbei mit relativ großen Blättern hat eine starke Behaarung.

So wird auch klar, dass Basilikum „Genovesa“ nicht aus Italien stammen kann. Denn die großen, dünnen Blätter verraten, dass die Pflanze sich sehr viel Wasser „leisten“ kann. Ihr Ursprung liegt in Indien, sie stammt aus dem Schattenbereich des tropischen Regenwaldes.

Wenn man so das Wesen einer Pflanze achtsam wahrgenommen und verstehen gelernt hat, dann geht man mit den Pflanzen auch auf andere Weise um.

Die Jahreszeiten beim Rückschnitt einbeziehen

Ein weiterer Aspekt des wesensgemäßen Umgangs mit den Pflanzen ist der richtige Zeitpunkt des Zurückschneidens.

Dabei ist es am sinnvollsten, wenn wir uns an die Regeln der Natur halten und die Jahreszeiten berücksichtigen.

Das Wesen des Herbstes ist die Rückzugs- und Ruhezeit, und zwar für alle Wesen: Pflanzen, Tiere und Menschen. Ja, auch wir spüren, dass wir ruhiger werden, weil die Lebensenergie nachlässt. Die Tage werden allmählich kürzer und wir nehmen weniger Sonnenlicht auf. Manche Menschen neigen dann zu Winterdepressionen.

Die Pflanzen ziehen ihre Kräfte langsam zurück und viele Bäume, Sträucher etc. lassen ihre Blätter los, um den Winter zu überleben. Würden wir also im Oktober/November schneiden, würde dieser Rückzugsprozess gestört, in die Schnittstellen könnte Frost eindringen und das Absterben der Pflanzen fördern.
Überdies haben die Stängel, Zweige und Blätter der Pflanze, die stehen bleiben, den positiven Nebeneffekt, den Schnee einzufangen, der die starken Minustemperaturen abmildert. 

In unserer Kräuter-Gärtnerei sagen wir gerne: „Unordnung fördert die Biodiversität“

Denn die Aussage, dass Unordnung die Biodiversität fördert, beschreibt die Situation treffend. In den absterbenden Samenständen überwintern oft kleine Tierchen, z.B. Schlupfwespenlarven. Und diese sind dann rechtzeitig zur Stelle, wenn im Frühjahr die erste Läusevermehrung auftritt, denn Läuse bilden eine ideale Nahrungsquelle für Schlupfwespenlarven. Durch diesen Ablauf wird auch offenkundig, dass alles von allem abhängt und alles in einem großen Zusammenhang und Kreislauf steht.

Empfehlung der Gärtnerei Lichtenborner Kräuter: Rückschnitt im März und April 

Folglich sind März und April der günstigste Zeitpunkt für den Rückschnitt, kurz bevor die Pflanze beginnt, ihre Vegetationstätigkeit wieder aufzunehmen.

Ausdauernde, winterharte Kräuter, die man auch in unserem Online-Kräutershop findet, sollte man um ca. ein Drittel bis zur Hälfte zurückschneiden. Es ist sinnvoll, gleich im ersten, spätestens im zweiten Jahr damit zu beginnen. So werden insbesondere Pflanzen wie Salbei, Ysop, Lavendel etc. von Anfang an in Form gehalten und frühzeitiges Altern und Verkahlen werden verlangsamt - völlig verhindern kann man es nie!

Denn alles unterliegt dem Prozess der Veränderung und des Alterns. Halten wir diese Realität aus und laufen nicht dem Gedanken des ewigen Jugendwahns hinterher, können wir uns auch an alternden Pflanzen, sogar absterbenden oder toten Pflanzen erfreuen und ihre verdiente Würde anerkennen. So wird immer wieder offensichtlich, dass die Gärtnertätigkeit eine der lebensphilosophischsten Tätigkeiten ist. Die Natur und der gesamte Planet sind zu jeder Zeit die größten Lehrmeister/innen. 

Ein paar kleine Besonderheiten seien noch erwähnt:

Der Rosmarin wird gar nicht zurückgeschnitten, bis auf die ein- bis zweijährigen Triebe, die wir zum Kochen ernten. Wir können beobachten, dass im Laufe der Jahre die neuen jungen Triebe beim Rosmarin weitaus kleiner ausfallen als während seiner Jugendzeit.

Lavendel kann zwar auch nach der ersten Blüte im Sommer geschnitten werden, dann blüht er im Herbst oft noch ein zweites Mal. In diesem Fall ist es allerdings wieder ratsam, die vertrockneten Samenstände aus den oben beschriebenen Gründen stehen zu lassen.

Bei allen Pflanzen, die oberirdisch komplett absterben, sollten die abgestorbenen Blätter und Stängel unbedingt auch erst im März/April geschnitten werden.

Winterfest?

Viele Menschen in unserem Land meinen, sie müssten den Garten „ordentlich“ winterfest herrichten. Mit dieser Haltung bin auch ich groß geworden; das Leben in der Gärtnerei Lichtenborner Kräuter hat mich jedoch etwas Tieferes gelehrt. Denn die Natur hat es so eingerichtet, dass alles von alleine geschieht. Fallendes Laub, abgestorbene Samenstände etc. stellen eine natürliche Winterdecke dar. Also genieße ich lieber die Farben des Herbstes und fahre nach einer harten Saison lieber in den Urlaub als den Garten „winterfest“ zu machen.