Offener Brief an den Demeter-Verband: Austrittserklärung zum 31.12.2023

An den
Bundesvorstand Demeter.e.V. 
Brandschneise 1
64295 Darmstadt


Landesvorstand Demeter im Norden
Viskulenhof 7
21335 Lüneburg

Lichtenborn, 29.01.2024

Offener Brief an den Demeter-Verband: Austrittserklärung zum 31.12.2023

Demeter-Verband: nein, biodynamisch: ja

Warum wir als Lichtenborner Kräuter und der Demeter-Verband nicht mehr zusammenpassen 

Gliederung/Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Unsere Ethik und die Richtlinien von Demeter
2.1 Entwicklung des Betriebes Lichtenborner Kräuter
2.2. Unsere Ethik und Arbeitsweise
2.3. Vergleich Richtlinien von Demeter und Lichtenborner Kräuter

3. Der Wendepunkt 2019: Die Zusammenarbeit von Demeter mit den Supermarktketten/Konzernen 
3.1 Unser Demeter-Antrag
3.2 Die Auseinandersetzung mit den Vorständen
3.3 Was nach dem Antrag geschah
3.4 Negative Folgen der Zusammenarbeit mit den Supermarktketten
3.5 Satirischer Vergleich: Die große Marktoffensive von „Demeter GmbH & Co.KG“

4. Fazit 

5. Danksagung

6. Literaturhinweise, Links und Anhang

1. Einleitung

Der Prozess unserer Auseinandersetzung mit dem Demeter-Verband erstreckte sich über einen fünfjährigen Zeitraum, beginnend mit unserem Antrag im Januar 2019 bezüglich der Zusammenarbeit des Verbands mit den Supermarktketten. Eine etwas ausführlichere Darstellung der Beweggründe für unsere Kündigung beim Demeter-Verband ist daher notwendig, um die genauen Hintergründe zu erläutern und die Zusammenhänge besser verstehen zu können.

Die Zeit unserer Betriebszugehörigkeit zu Demeter der Jahre 2008 bis 2023 war für uns sehr bereichernd. Aufgrund unserer Ethik und der damit verbunden inneren Weiterentwicklung ist jedoch der Zeitpunkt gekommen, wo der Demeter-Verband und wir nicht mehr zusammenpassen.

Zum 31.12.2023 haben wir als Lichtenborner Kräuter-Gärtnerei beim Demeter-Verband aus unten aufgeführten Gründen gekündigt. 
Wir werden jedoch weiterhin nicht nur nach den Grundsätzen der biodynamischen Anbauweise und der Gemeinwohlökonomie arbeiten, sondern nach wie vor alle unsere ethischen Grundsätze mit in unsere Arbeit einfließen lassen, sodass wir wie bisher ehrlich und authentisch arbeiten und leben können. Und die KundInnen können bei uns weiterhin konzernfrei einkaufen. 

Ich vermeide im Folgenden ausdrücklich Namen, da es sich schließlich nur um VertreterInnen des Demeter-Verbandes handelt. Es sollen die Strukturen und Entscheidungen vom Demeter-Verband genannt und kritisiert werden. 
Es sind Menschen, die ich weiterhin wertschätzen werde. Ich fordere sie jedoch auf, ihr Verhalten, ihre Entscheidungen zu überdenken und ggf. zu transformieren, damit wir GärtnerInnen und BäuerInnen konzernfrei und wertschätzend arbeiten und die KundInnen weiterhin konzernfrei echte Lebensmittel einkaufen können. 
Unser Ziel ist es, stets positive und konstruktive Entwicklungen zu fördern. Ein härterer Ton war in der Auseinandersetzung mit dem Demeter-Verband jedoch nicht immer zu vermeiden.

Trotz unserer Kritik haben wir Verständnis dafür, dass auch Vorstände nicht perfekt sein können. 
Aber Fehlentscheidungen zu revidieren und Fehler einzusehen, das wäre ein Zeichen innerer Stärke und Souveränität und würde uns alle weiterbringen! Dafür bedarf es jedoch einfach etwas Mut!

„Das Richtige erkennen und nicht danach zu handeln, ist Mangel an Mut“.[1]

Danken möchten wir an dieser Stelle schon mal ausdrücklich den weit über 2500 Menschen und der Landesarbeitsgemeinschaft Ost (Demeter) (LAG Ost), die uns sehr stark unterstützt haben!

Kündigungsgründe:

  • Die Entscheidung der Zusammenarbeit von Demeter mit den Supermarktketten/Konzernen können wir aus ethischen Gründen nicht mittragen.

  • Wir können die damit verbundenen Praktiken der Abholzung des Amazonaswaldes, der Umweltzerstörung, der Vertreibung von indigenen Völkern etc. nicht mittragen.

  • Der ursprünglich von und für ErzeugerInnen/AnbauerInnen gegründete Verband Demeter mutiert mehr und mehr zu einem Handelsverband.

  • Die Umstrukturierung weg von kleinbäuerlichen Betrieben hin zu großen und sehr großen Betrieben ist nicht unser Ziel. Wir als Kleinbäuerliche finden uns im Demeter-Verband nicht mehr wieder.

  • Die Auseinandersetzung mit unserem Antrag von 2019 hat deutlich gemacht, dass tiefgreifende Kritik beim Demeter-Verband nicht gewünscht ist und getroffene Fehlentscheidungen nicht korrigiert werden sollen, seien die Gründe und Argumente auch noch so zutreffend. Kritik wird vom Demeter-Verband gerne ausgesessen.

  • Unser Vorschlag zur Einführung eines basisdemokratischen Mitgliederentscheids bei Grundsatzentscheidungen wie dieser wurde abgelehnt. Weiterhin sollen einige wenige Mitglieder über die Köpfe aller anderen hinweg entscheiden.

  • Wir lehnen den Glauben an ein ewiges Wachstum, wie er in der Kampagne „You will grow“ zum Ausdruck kommt, ab und streben lieber ein Gleichgewichtswirtschaften im Rahmen einer solidarischen Gemeinwohlökonomie an.

  • Eine Folge der Entscheidung mit den Supermarktketten zusammenzuarbeiten, führte im Demeter-Verband zu einer noch stärker ausgeprägten kapitalistischen Struktur mit all ihren negativen Auswirkungen. 

  • Wir halten sowohl die kapitalistischen als auch die verbandsinternen Strukturen von Demeter für nicht mehr zeitgemäß. Wir benötigen einen grundlegenden Systemwandel weg vom eigenen Vorteilsdenken hin zu echter globaler Solidarität. 

2. Unsere Ethik und die Richtlinien von Demeter

2.1 Entwicklung des Betriebes Lichtenborner Kräuter von 2003 bis 2023

Bioland von 2003 – 2008
Bei der Gründung der Gärtnerei 2003 entschieden wir uns, nach den Biolandrichtlinien zu arbeiten. 2008 wurden die Richtlinien jedoch infolge der Bestrebungen des damaligen Bioland-Präsidenten aufgeweicht.

Demeter von 2008 – 2023
In der Folge davon entschieden wir uns in den Demeter-Verband zu wechseln und erfuhren dort viel Positives:

  • Wir fanden uns damals im Demeter-Verband sehr gut wieder, da die Richtlinien viel weitergingen als die im Bioland-Verband, vor allem im Hinblick auf Bodenaufbau und eine ganzheitliche Herangehensweise.

  • Die biodynamische Präparate-Arbeit ist überzeugend und inspirierend.

  • Auch ist es der einzige Verband, der eine spirituelle Dimension in die praktische Arbeit mit einfließen lässt.

  • Das jährliche Betriebsentwicklungsgespräch ist eine sehr gute Möglichkeit, sich selbst, seinen Betrieb und seine Arbeitsweise gemeinsam mit außenstehenden Betrieben zu hinterfragen und sich Entwicklungsziele für das kommende Jahr zu setzen.

  • Der menschliche Umgang der BäuerInnen und GärtnerInnen untereinander war von großer Tiefe und Wertschätzung geprägt.

  • Es war kein Geringerer als Joachim Bauck, der bei unserem Erstbesuch mit einem Augenzwinkern sagte: „Biodynamisch: Unsere Produkte sind bio und wir dynamisch…“

2019 Gemeinwohlökonomie-Zertifizierung (GWÖ)

Als konstruktive Reaktion auf die absurde Zusammenarbeit von Demeter mit den Supermarktketten haben wir uns im Frühjahr 2019 für eine Gemeinwohl-Zertifizierung entschieden. 

Die GWÖ ist ein Element eines konstruktiven Postkapitalismus‘. In der GWÖ-Bilanz wird statt einer rein monetären eine inhaltlich-ethische Bewertung des Betriebs vorgenommen. So werden z.B. die Bereiche Ökologie, Nachhaltigkeit, Menschenrechte, Lieferketten, Umgang mit Personal und KundInnen, u.v.m. kritisch beleuchtet und mit einer Punktzahl bewertet.[2]

Ziel der GWÖ ist es u.a., Betriebe steuerlich zu begünstigen, die sehr weitgehend gemeinwohl-orientiert arbeiten, und Betriebe mit einer höheren Steuer zu belegen, die dem Gemeinwohl schaden. 

2.2. Unsere Ethik und Arbeitsweise

Unser Anliegen bei der Gründung einer Kräutergärtnerei war, einer würdevollen Arbeit nachzugehen und damit verbunden einen tieferen Lebenssinn zu verwirklichen. Unser Ziel ist es, so weit wie möglich mit der Natur und deren Gesetzmäßigkeiten im Einklang zu arbeiten und zu leben. 
Wir wollen so konsequent wie möglich ökologisch arbeiten und nach wie vor echte Lebensmittel produzieren, die diesen Namen auch verdienen. Unser Handeln soll es ermöglichen, dass viele nachfolgende Generation auf diesem Planeten noch lebenswerte Grundlagen vorfinden. 

Kritische Selbsthinterfragung und stetes Weiterentwickeln waren uns von Anfang an sehr wichtig.
Wir wollen unsere Werte praktisch leben und nicht nur darüber reden und sie verwalten (lassen).

Auf unsere Homepage sind unsere Ethik und unsere Arbeitsweise ausführlich dargestellt.[3] Hier seien nur einige unserer zentralen Werte genannt:

  1. Stärkung kleinbäuerlicher und solidarischer Strukturen
    Wie der Weltagrarbericht darlegt, ernähren zu 80% die Kleinbauern die Menschheit und nicht die Konzerne, auch wenn sie meinen, die Welt zu retten.[4]

  2. Direktvermarktung (konzernfrei) statt Handelsstruktur (große Abhängigkeit)

  3. Wertschätzung statt Wertschöpfung
    Wir streben eine WERTSCHÄTZUNGSKETTE mit fairen und solidarischen Preisen an statt einer sogenannten Wertschöpfungskette. 

  4. Gleichgewichtswirtschaft im Rahmen der vom Planeten vorgegebenen natürlichen Gesetzmäßigkeiten statt ewiger und sich potenzierender Wachstumswirtschaft mit ihren zerstörerischen Folgen[5]

  5. Dezentrale statt zentraler Strukturen, nicht nur im Lebensmittelbereich, sondern auch im Energiesektor etc.

2.3. Vergleich der Richtlinien von Demeter und unserer Arbeitsweise

Demeter behauptet stets, sie hätten die strengsten Richtlinien im Bio-Anbau. Das mag im relativen Sinne stimmen, jedoch hat Demeter in vielen entscheidenden Punkten seine Richtlinien seit Jahren nicht weiterentwickelt bzw. verschärft und wird damit den Anforderungen der Zeit nicht mehr gerecht. 
Hier nur vier Beispiele, in denen wir als Lichtenborner Kräuter weit über die Demeter-Richtlinien hinaus arbeiten: 

  1. Im Demeter-Anbau darf bis zu 50% Torf in Anzuchterden verwendet werden, dies gilt als „TORFREDUZIERT“.
    Wir als Lichtenborner Kräuter haben als Mitinitiator an der Entwicklung einer 100% torffreien Erde mit 100% natürlichen Inhaltsstoffen aus einheimischen Gebieten mitgewirkt und verwenden sie seit 2016 zu 100% für unsere gesamten Pflanzen.[6]
    Torf gehört ins Moor und nicht in Demeter-Produkte!

  2. Auch bei Demeter wird „HYBRIDSAATGUT“ verwendet
    Demeter empfiehlt zwar die Verwendung von samenfesten Sorten, macht dessen Verwendung aber nicht zur Pflicht. So werden auf vielen Demeter-Betrieben, v.a. im Gemüsebau, selbstverständlich Hybridsorten eingesetzt, vor allem bei den großen und ganz großen Betrieben.
    Wir als Lichtenborner Kräuter verwenden selbstverständlich zu 100% samenfeste Sorten. 
    Wir lehnen Hybridsorten ab, weil dies einer Inzucht bei Pflanzen gleichkommt. 

  3. Wesensgemäßer Obstanbau bei Demeter?
    Bei Demeter - wie im gesamten Bio-Anbau – ist der Einsatz von Kupfer und Schwefel, v.a. im Obstanbau, zulässig. Diese werden ausgebracht, damit das Obst z.B. keine Schorfstellen etc. entwickelt und angeblich unansehnlich aussieht.
    Außerdem stehen die kleingezüchteten Obstbäume sehr oft nur im Abstand von 60cm, was absolut nicht dem Sinn einer wesensgemäßen Landwirtschaft entspricht.
    So werden bei Demeter mittlerweile auch im großen Stil „Hochglanzäpfel“ - oft sogar mit eingelasertem „Demeter“-Logo - produziert, die „Premium-Qualität“ suggerieren sollen. 
    Wir als Lichtenborner Kräuter bringen selbstverständlich kein Kupfer und Schwefel aus. 
    Wir haben auf der Streuobstwiese unserer Gärtnerei über 120 Obstbäume, überwiegend Hochstämme, im Abstand von 5-10 m gepflanzt. Die Früchte dieser 50-60 verschiedenen alten Obstbaumsorten dürfen natürlicherweise auch Schorf und andere Stellen aufweisen. Diese alten Sorten zeichnen sich durch ein sehr kräftiges Aroma aus.

  4. Es gibt beim Demeter-Verband immer noch keine eigenen Richtlinien für den Kräuteranbau. 
    Es heißt dort lediglich „Gemüse und Kräuter“, die aber jeweils völlig unterschiedlicher Anbauweisen bedürfen. 
    Daher finden die KundInnen im Supermarkt, aber auch im Fachhandel immer wieder in Treibhäusern angetriebene und mit einer Plastiktüte versehene Demeter-Kräuterpflanzen (hier Thymian). (s.Foto 2)

Foto 1 Foto 2

Wir als Lichtenborner Kräuter verstehen unter wesensgemäßer Pflanzenanzucht, dass die Pflanzen die Bedingungen soweit wie möglich erhalten, die sie auch in der freien Natur vorfinden. Daher werden unsere Jungpflanzen nur kurz im Gewächshaus angezogen bei einer Temperatur von maximal +2 Grad nachts. Ab Mitte März werden die Pflanzen ins Freiland gestellt, selbstverständlich auch bei Frost und Schnee.
Unsere Pflanzen sind im Durchschnitt 1,5 bis 2 Jahre alt, bevor sie zu den KundInnen kommen. (s. Foto 1)

Demeter wirbt für seine Produkte stets mit dem Prädikat „Premium-Bio“ oder „Premium-Qualität“. Dies ist ein schönes Marketingmittel, aber leider hält Demeter inhaltlich oft nicht (mehr), was es verspricht. Der Verband hat sich mehr und mehr von seinen ursprünglichen guten Werten verabschiedet.

3. Der Wendepunkt 2019 

Die Zusammenarbeit von Demeter mit den Supermarktketten/Konzernen 

3.1.Unser Antrag vom Januar 2019 an den Demeter-Verband[7]

Demeter entschied sich 2016 als Verband, über die Supermarktketten Rewe, Edeka und Kaufland zu vermarkten, was Anfang 2019 in die Tat umgesetzt wurde. Da wir, genauso wie viele andere Bio-Betriebe, Bioläden etc., diese Entscheidung aus ethischen Gründen nicht mittragen konnten und wollten, stellten wir im Januar 2019 einen Antrag an den Demeter-Verband mit der Forderung, die getroffene Entscheidung zurückzunehmen. Außerdem setzten wir uns für die Einführung eines basisdemokratischen Mitgliederentscheids über Grundsatzfragen wie diese ein. 
Bundesweit wurde der Antrag von ca. 2500 Personen unterschrieben, insbesondere VertreterInnen des Biofachhandels unterstützten die Initiative und auch Bioland-KollegInnen unterzeichneten, da sie sich durch die fast zeitgleiche Entscheidung von Bioland, mit Lidl und Aldi zusammenzuarbeiten, in einer ähnlichen Lage befanden.

3.2. Die Auseinandersetzung mit den Vorständen

Nach anfänglichen Kontakten mit den verschiedenen Vorständen erhielten wir die Nachricht, dass sie sich nicht mit uns zu einem Gespräch treffen wollten, da die Entscheidung gefallen sei. 

Das änderte sich schlagartig, als ich erklärte, mich an die Presse wenden zu wollen. Gleich am darauffolgenden Tag kamen 3 Vertreter des Landesvorstandes Demeter im Norden zu uns nach Göttingen zu einem ca. zweistündigen Gespräch. Leider hatte der Vorstand kaum Verständnis für unser Anliegen, geschweige denn ein Bewusstsein für die zukünftigen negativen Konsequenzen der Zusammenarbeit mit den Supermarktketten. Im Gegenteil erklärten sie mir, dass ich mich doch nicht „Demeter“, sondern „biodynamisch“ nennen könne[8]
Ergo war dies ein indirekter Hinweis, dass ich doch aus dem Demeter-Verband austreten könne/solle.

Die beiden Bundesvorstände verhielten sich noch unverständlicher:
Nach einem zweistündigen Gespräch Anfang April 2019 in Lüneburg, in dem wir unsere Argumente austauschten und wir gleich am Anfang die ethischen Gründe unserer Ablehnung deutlich zu machen versuchten, bekamen wir am Ende der Sitzung von einem der Bundesvorstände zu hören, dass wir uns doch endlich über die Umsatzzuwächse freuen sollten. Dies macht deutlich, dass unsere Argumente von ihm in keiner Weise aufgenommen wurden und es lediglich um das Durchsetzen seiner Vorstellung ging.

Im April 2019 war dann die Bundesdelegierten-Versammlung von Demeter, bei der der Antrag dem Vorstand offiziell überreicht werden sollte. Kein Delegierter hatte den Mut, unseren Antrag mitzunehmen. Erst nach erneuter Drohung, die Presse einzuschalten, erklärte sich der Landesvorstand von Demeter im Norden bereit, die Unterlagen mit den 2500 Unterschriften zu überreichen. 

3.3. Was nach dem Antrag geschah

Wie kaum anders zu erwarten, wurde nicht auf unsere Forderungen (inklusive der Forderung nach einem basisdemokratischen Mitgliederentscheid) eingegangen.

Die Bundesvorstände trafen sich zwar des Öfteren auch noch mit der Landesarbeitsgemeinschaft Ost (LAG-Ost), die sich in diesem Zusammenhang auch sehr stark engagierte; man versicherte ihr, ihre Kritik ernst zu nehmen. Umgesetzt wurde von den kritischen Punkten jedoch ebenso wenig.[9]

3.4. Negative Folgen der Zusammenarbeit von Demeter mit den Supermarktketten

Folgende Veränderungen und negative Folgen, die wir in unserem Antrag aufgeführt hatten, sind seit 2019 tatsächlich eingetreten:

  • Die Preise für Demeter-Produkte in den Supermarktketten werden von letzteren diktiert und liegen weit unter denen im Biofachhandel; und sie fallen weiter.

  • Eine Demeter-Massenproduktion findet statt. Und Massenproduktion führt immer zum Nachlassen der Qualität. Außerdem wird für die Supermärkte das Gemüse und Obst nun fast alles extra noch in Plastik verpackt, was definitiv nicht ökologisch ist, ganz abgesehen von den gesundheitsschädlichen Weichmachern im Plastik.

  • Sehr viele große Betriebe, die vormals konventionell oder nach EU-Bio-Standard arbeiteten und REWE, Edeka und Co. schon immer belieferten, haben auf Demeter umgestellt und sind nun in den Verband integriert. Dadurch gibt es vermehrt Bestrebungen, die Richtlinien aufzuweichen. Denn für viele dieser neuen Mitglieder ist die Hauptmotivation ihres Demeter-Beitritts lediglich, einen höheren Preis für ihre Produkte zu erzielen als im konventionellen Bereich. Das Demeter-Logo ist für sie attraktiv, die Anbauweise ist sekundär. Immer mehr Ausnahmegenehmigungen sind daher die Folge.

  • Der anfängliche „Demeter-Boom“ bei den Supermarktketten ist ziemlich schnell verpufft und sie setzen seit längerem schon wieder mehr auf „Billig-Bio“. Somit verringern sich auch wieder die Lizenzgebühren für die „Demeter-Marke“, die die Supermarktketten an den Demeter-Verband zahlen.
    Die Supermarktketten diktieren – wie nicht anders zu erwarten war -, welche Produkte sie abnehmen oder eben auch nicht und Demeter hat sich somit selbst in eine Abhängigkeit begeben[10]

  • Die von den Supermarktketten zugesagte „Schulung des gesamten Verkaufspersonals“ wurde nicht verwirklicht. Ich selbst erkundige mich immer wieder beim Personal in diversen Märkten nach Merkmalen der Demeter-Marke und erhalte Antworten wie diese: „Wir sollen das verkaufen, also machen wir es.“

  • Demeter trägt durch die Zusammenarbeit mit den Supermarktketten und Konzernen eine Mitverantwortung für das Abholzen des Amazonasregenwaldes
    Denn alle Supermarktketten und Discounter werden u.a. von Cargill, einem der größten Lebensmittelkonzerne der Welt, beliefert. Dieses Unternehmen ist stark an der Abholzung des Amazonasregenwaldes beteiligt, um Flächen für den Anbau von Kakao, Soja, Palmfett und für die Rinderhaltung zu erweitern. Auch die bekannten Folgen dieser Regenwaldzerstörung – Menschenrechtsverletzungen wie Gewalt gegen indigene Völker, Landraub, Sklaven- und Kinderarbeit, Umweltverschmutzung etc. – hat Demeter auf diese Weise mitzuverantworten.[10]

Weitere zu beobachtenden Veränderungen im Demeter-Verband selbst seit 2019:

  •  Gab es 2019 noch zwei Bundesvorstände, ist es heute nur noch einer. (Machtkonzentration?)

  • Der ehemalige Landesvorstand von Demeter im Norden ist in eine bekannte Demeter-KG gewechselt. Ähnlichkeiten mit Prozessen in der Politik sind kein Zufall, sondern Folgen derselben Macht- und Lobbystruktur.

  • Der Personalzuwachs im Büro von Demeter im Norden ist gigantisch: Er wuchs seit der Zusammenarbeit mit den Supermarktketten von 3-4 Personen auf mindestens 25, Tendenz steigend. Leider sind von diesem Personal wenige landwirtschaftlich vorgeprägt, sondern kommen eher aus dem Marketing oder IT-Bereich. So ist fachliche Beratung kaum leistbar.

  • Dementsprechend ist unser Jahresmitgliedsbeitrag als Kleinbetrieb innerhalb von kurzer Zeit von 450,- € (2019) auf 1050,- € bis Ende des Jahres 2023 mehr als verdoppelt worden (bei gleichem Umsatz).

  • Immer mehr Stellen, insbesondere im Qualitätsmanagement, werden mit Mitarbeitenden besetzt, die vorher in großen konventionellen Firmen gearbeitet haben. Es stellt sich die Frage, wie nah solche Mitarbeitenden den Ideen von Demeter stehen.

  • Sehr viele Klein- und Mittelbetriebe sind mittlerweile aus Protest bzw. weil sie sich nicht mehr bei Demeter wiederfinden können, aus dem Demeter-Verband ausgetreten. Und es werden stets mehr.

  • Demeter bedient sich immer häufiger des klassischen marktwirtschaftlich-kapitalistischen Werbevokabulars, wie beispielsweise mit der 2020 gestarteten Kampagne „You will grow“.  

  • Demeter mutiert von einem ehemaligen Verband der ErzeugerInnen/AnbauerInnen mehr und mehr zu einem Handelsverband.

3.5. Satirischer Vergleich: Die große Marktoffensive von „Demeter GmbH & Co.KG“

Nachdem die Kampagne „You will grow“ von 2020 nicht so richtig fruchtete, wird vom Demeter-Verband nun im Jahr 2024 die ganz große „MARKTOFFENSIVE“ gestartet, wie der Bundesvorstand uns im Dezember 2023 per Mail mitteilte …

Hurra! Nun wird alles besser und der große Erfolg wird sich einstellen…! Hatten wir das nicht schon mal bei den Römern und Galliern mit den „Praktiken des antiken Geschäftslebens“ vor 2000 Jahren? 

Schon Goscinny hat in seinem Asterix-Band „Obelix GmbH & Co. KG“ mit genialem Scharfblick die Strukturen unseres kapitalistischen Ökonomiesystems entlarvt und benannt.[12]

Es drängt sich ein herrlicher Vergleich mit dem „auf einer Marktanalyse basierenden Werbefeldzug“ für die berühmten Hinkelsteine von Obelix auf. Selbst die militärische Sprache weist verblüffende Ähnlichkeiten auf. 
Fast eins zu eins kann man die Strukturen von „Obelix GmbH & Co. KG“ auf „Demeter GmbH & Co. KG“ übertragen. Der große Unterschied wird wohl sein, dass es bei Demeter ein Happyend geben wird, und wir werden alle wachsen und reich werden!

Falls es nicht klappen sollte, empfehlen wir, den Slogan „You will grow“ lieber in „You have enough“ zu transformieren, was eine große innere Weiterentwicklung des eigenen Bewusstseins hervorbringen könnte. Denn Genügsamkeit kommt von genug.

Seit Neuestem scheinen aber selbst einige Demeter-Vorstände in der Realität anzukommen und wahrzunehmen, dass durch die Zusammenarbeit mit den Supermarktketten auf den Höfen plötzlich die Umsätze zurückgehen und die KundInnen lieber billig bei den Supermärkten einkaufen. Und viele echte ursprüngliche Bioläden schließen sogar ganz. Nun besucht man die Höfe und erkundigt sich an der Basis über die Direktvermarktung.

Wahrscheinlich wird die nächste Demeter-Kampagne „Back to the roots“ heißen nach dem Motto: „Kennen Sie schon die Direktvermarktung? Dort auf den Höfen können Sie noch direkte Gespräche mit den BäuerInnen und GärtnerInnen führen und individuelle Produkte mit Gesicht kaufen.“

4. Fazit

Anhand der Auseinandersetzung mit dem Demeter-Verband ist deutlich geworden, dass die grundlegende Struktur und die treibenden Kräfte beim Demeter-Verband denen in der Marktwirtschaft gleichen: Es geht um Macht und Geld und um die Vertretung der Interessen der Großbetriebe. 
Dass kleinere und mittlere Höfe unter den Billigpreisen der Supermarktketten leiden, weil ihre Direktvermarktung zurückgeht und immer mehr Bioläden schließen, wird vom Verband ignoriert oder wissentlich in Kauf genommen.

Wenn der Demeter-Verband mit Supermarktketten bzw. mit Firmen zusammenarbeitet, ohne sich vorher genau über deren menschenrechtsverletzende und umweltzerstörerische Praktiken zu informieren und ohne sich offensichtlich zu überlegen, ob so ein Unternehmen zu der Ethik von Demeter passt; und wenn er dann noch konstruktive Kritik an sich abprallen lässt, kann er schlichtweg kein Partner von uns sein. Demeter hat seine Glaubwürdigkeit verspielt.
Dies ist ein triftiger Grund, warum wir definitiv nicht mehr mit Demeter in Verbindung gebracht werden wollen.

Die Vorstellung von ewigem Wachstum beruht letztlich auf Gier und der Vorstellung, dass die Anhäufung von Geld zu wahrem Glück führen könne.
Wir benötigen deshalb einen Systemwandel, wenn wir als Menschheit überleben wollen: Nicht nur in Bezug auf unser aktuelles Wirtschaftssystem, sondern auch mit Blick auf den Klimawandel. Eine Transformation hin zu einer solidarischen Gesellschaft unter Einbeziehung einer Gleichgewichtswirtschaft ist unabdingbar. Wir benötigen nicht nur eine Gemeinwohl-Ökonomie, sondern auch eine Gemeinwohlgesellschaft insgesamt.

„Alles ist vergänglich, auch diese Zivilisation, doch wir entscheiden mit unserem Handeln, in welchem Tempo.“ (Thich Nhat Hanh)

Kann man Demeter-Produkte nun auch nicht mehr kaufen?

Doch, aber man muss ganz genau hinsehen und exakt differenzieren!

Am besten kaufen Sie vor Ort bei lokalen Höfen oder auf Wochenmärkten ein. Oder Sie treten einer Solawi (Solidarischen Landwirtschaft) bei. 
Es ist sehr ratsam, sich die Betriebe (kleine und große) mit viel Zeit und Ruhe genau anzuschauen und kritische Fragen zu stellen. Es ist sehr aufschlussreich, persönliche Gespräche mit den InhaberInnen und den MitarbeiterInnen zu führen. Denn dann können Sie sich selbst ein eigenes Urteil bilden, ob Sie wirklich echtes Vertrauen zu dem Betrieb haben können! 

Bei den meisten Klein- und Mittelbetrieben mit Direktvermarktung können Sie nach wie vor sehr gute Demeter-Qualitätsprodukte mit fachlicher Beratung und einem menschlichen Umgang finden. Aufgrund der Direktvermarktung arbeiten diese Betriebe i.d.R. auch konzernunabhängig. Dort erhalten die ErzeugerInnen durch Ihren Einkauf einen angemessenen und wertschätzenden Preis und keinen billigen, ausbeuterischen wie bei den Supermarktketten/Konzernen.

Bei vielen Großbetrieben dagegen gibt es oft Punkte, die viele überzeugte Bio-KundInnen definitiv nicht wollen, z.B. Verwendung von Hybriden, Einsatz von Kupfer und Schwefel oder die Belieferung von diktatorischen Staaten wie Saudi-Arabien, wo die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. 

Auch auf großen Demeter-Höfen können Sie zusammenhängende Ackerflächen von 10-20 ha Größe ohne einen Baum oder Strauch vorfinden. Fotos habe ich von solchen Höfen bei Darmstadt und in der Nähe von Frankfurt/Main im Sommer 2018 gemacht. Auf diesen nackten Flächen mit einem hohen Besatz an Rindern konnte ich beobachten, wie bei leichtem Wind Windhosen die oberste Schicht der Erde davonwehten. Das widerspricht einem der Kernpunkte der Demeter-Landwirtschaft, dem Boden- und Humusaufbau. 

Bei vielen Zulieferbetrieben, die für Supermarktketten arbeiten, ist die Entfremdung vom echten Demeter-Anbau sehr groß. Exemplarisch sei hier die Formulierung eines Demeter-Jungbauers auf der Demeter-Wintertagung 2019 genannt: „Ich baue Industriekohl an.“

Daher: Einkaufen ist politisch!

„Dein Einkaufsbon ist ein Stimmzettel, 
jedes verdammte Mal.
Alles Liebe, Dein Kapitalismus

 Zeichnung:Georg Kynass

5. Danksagung

Nach so einem langen Prozess der Auseinandersetzung und des inneren Reifens ist es unumgänglich, eine Danksagung zu schreiben und all den vielen solidarischen UnterstützerInnen, mit denen wir gemeinsam diesen Weg gegangen sind, aus tiefstem Herzen zu danken:

Die Auflistung entspricht keiner Wertung:

* Den MitverfasserInnen des Antrages und den ErstunterzeichnerInnen, die mit uns den Mut hatten, diesen Weg trotz der anstehenden Arbeit auf den Betrieben zu gehen. 

*Den unglaublich engagierten KollegInnen von den Betrieben der LAG Ost.

*Den vielen KundInnen, mit denen wir uns gemeinsam Stunden über Stunden ausgetauscht und nach konstruktiven Lösungen gesucht haben. Und die uns immer noch so treu sind.

*Den 2500 Menschen, die unseren Antrag unterschieben haben und mit denen wir unsagbar viele herzliche persönliche Begegnungen und Telefonate hatten.

*Den Demeter- und anderen BiokollegInnen, den uns unterstützenden Naturgroßhändlern und den vielen Menschen aus dem Verband, mit denen wir viele Informationen auf Augenhöhe austauschen konnten.

*Und nicht zuletzt möchte ich dem gesamten Lichtenborner Kräuterteam danken für die tiefen Auseinandersetzungen, die Anregungen, die konstruktive Kritik und den Mut uns gegenseitig den Spiegel vorzuhalten.

6. Literaturverzeichnis, Links und Anhang

  • Club of Rome (D. Meadows, Hrsg.): Die Grenzen des Wachstums, Deutsche Verlags-Anstalt, München 1972
  • Club of Rome (von Weizsäcker, Ernst Ulrich, Wijkman, Anders u.a.): Wir sind dran, Pantheon Verlag, Random House GmbH, München 2019
  • Felber, Christian: Gemeinwohlökonomie, Piper-Verlag, München, 2018
  • Goscinny & Uderzo: Obelix GmbH & Co. KG, Asterix-Band XXIII, Delta-Verlag, Stuttgart 1978
  • Heinrich-Böll-Stiftung u.a.: Der Konzern-Atlas, Berlin, 3. Auflage 2017
  • Thich Nhat Hanh: The Art of Power – Die Kunst mit Macht richtig umzugehen, Herder-Verlag, Freiburg im Breisgau, 2008
  • Tho, Ha Vinh, Dr.: Grundrecht auf Glück, nymphenburger in der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 2014
  • Tho, Ha Vinh, Dr.: Der Glücksstandard, O.W. Barth Verlag, München 2019
  • Wolff, Christina/Schäfer, Udo (Kreuterey): Offener Brief an den Demeter-Vorstand, 2019; www.kreuterey.de/demeter-nein-danke, abgerufen am 15.01.2024
  • Zukunftsstiftung Landwirtschaft (Hrsg.): Weltagrarbericht – Wege aus der Hungerkrise, ABL-Verlag: Dezember 2013 

Links

Anhang
Lichtenborner Kräuter: Unser Antrag an den Demeter-Verband vom Januar 2019

Anhang: Unser Antrag an den Demeter-Verband vom Januar 2019

Michael Brodda, Sylvia Mattauch Stephan Holzhaus
Lichtenborner Kräuter – Demeter Reinhäuser Str. 17
Dorfstraße 37 37130 Diemarden-Göttingen
37181 Hardegsen Tel. 0551 - 790 66 30
Tel.: 05505 - 95 92 69
s.holzhaus@web.de
Mobil: 0176 - 32 48 27 12
mail@lichtenborner-kraeuter.de

An den Vorstand und den Aufsichtsrat
des Demeter e.V.
und an den Vorstand der
Bäuerlichen Gesellschaft im Norden

Diskussionspapier und Antrag an den Demeter e.V.

„Demeter passt nicht in den Discount“ (A. Gerber)
und auch nicht in Supermarktketten!

ANLASS

Anlass zu diesem Antrag war die vergangene Mitgliederversammlung der Bäuerlichen Gesellschaft im Norden am 26.11.2018 mit dem Podiumsgespräch mit F. Wecker, J. P. Bauck, M. Deppe, Florian Reyer und dem EDEKA-Geschäftsführer S. Griese (Minden).

Die Interviews von A. Gerber (Vorstandssprecher Demeter) und J. Kamps-Bender (Vorstand Demeter) in der Biowelt Dez. 2018 über die Zusammenarbeit mit den Supermarktketten EDEKA, REWE und KAUFLAND und das Interview von Jan Plagge vom Biolandvorstand (Zusammenarbeit mit Aldi, Lidl) in der verbandseigenen Zeitschrift von Nov. 2018 haben uns zu vielen persönlichen, tiefgreifenden Gesprächen bewegt. Die AbL/Neuland und ihre zukünftige Zusammenarbeit mit Aldi tat ihr Übriges.

KURZANALYSE DES BISHERIGEN WIRTSCHAFTSWACHSTUMSPRINZPS

EDEKA, REWE und KAUFLAND bedienen das dominierende Wirtschaftssystem mit der obersten Maxime des ständigen Wirtschaftswachstums und der fortwährenden Gewinnmaximierung für nur sehr Wenige und zu Lasten sehr Vieler.

Gerade die Supermarktketten und Discounter mit ihren klassischen Wirtschaftsmechanismen sind höchst aktive Verursacher der aktuellen, verheerenden Situation in Landwirtschaft und Umwelt und haben mit ihren immer geringeren Preisen maßgeblich dazu beigetragen, dass die landwirtschaftlichen Flächen und die Umweltsituation gerade so aussehen, wie sie aussehen. Sie sind auch Mitverursacher davon, dass jährlich mehr als 5000 landwirtschaftliche Höfe
- allein in Deutschland - aufgeben müssen, weil sie bei diesen Tiefstpreisen nicht mehr arbeiten und überleben können. Das Wachse-oder-Weiche-Prinzip wird immer noch mehr gefördert.

Dieses Prinzip wird jetzt immer deutlicher durch die Zusammenarbeit mit den Supermarktketten auch in den Bereich der Bio-Verbandsware (Demeter, Bioland u.a.) hineingetragen, die bisher preislich und qualitativ einen höheren Standard innehatten und bei denen darüber hinaus die soziale Ebene und die Umweltfrage zu den Grundwerten gehörte.


FOLGEN

1. Preise: Sie werden in den Supermarktketten spätestens mittelfristig geringer sein als in inhabergeführten (Bio-) Läden. (Auf Nachfragen von Herrn Brodda in der Mitgliederversammlung, ob die Preise von Demeterware bei Edeka die gleichen sein werden wie in Bioläden, antwortete Herr Griese, dass er dazu nichts sagen dürfe!).

Durch die geringeren Preise werden noch mehr inhabergeführte Bioläden aufgeben müssen, so wie es schon in der ersten Bioladen-Schließungswelle nach der Alnatura-Expansion geschah. Es sind aber gerade diejenigen, die echte Überzeugungsarbeit über Jahrzehnte geleistet haben.

2. Demeter-Betriebe und der Demeter e.V. selbst werden sich in eine Abhängigkeit von Supermarktketten begeben: Viele konventionelle oder EU-Biobetriebe sind schon dabei, auf Demeter umzustellen und werden es weiterhin tun müssen, damit die Masse an Ware, die die Supermarktketten benötigen, auch zur Verfügung steht. Kurzfristig mag dies wie ein Erfolg aussehen, langfristig wird es unseres Erachtens aber zu einem weiteren Sinken der Preise und der bisherigen hohen Qualitätsstandards kommen, damit die Supermarktketten gegenüber ihren Mitbewerbern konkurrenzfähig bleiben können.

3. Sanktionen wirkungslos: Aufgrund der o.g. Abhängigkeit werden Sanktionen, wie sie vom Demeterverband als Maßnahme bei Verstößen der Supermarktketten vorgesehen sind, unseres Erachtens auf längere Sicht wirkungslos sein, da Supermarktketten Sanktionen mit entsprechenden Absatzsperren beantworten können. Zudem landen Sanktionsverfahren häufig vor Gericht, was zu langwierigen und teuren Prozessen mit finanziellen und Vertrauensverlusten für Produzenten, Kunden und den gesamten Demeterverband führt. Ganz zu schweigen vom Verlust der Glaubwürdigkeit, die Demeter sich in fast 100 Jahren hart erarbeitet hat.

4. Neue Kennzeichnung sinnlos: Die vom Demeterverband angedachte Aufteilung in Demeter “Premium“ und Demeter „Normal/Light“ wird fatal sein, denn die meisten Kunden werden dies einfach nicht mehr unterscheiden können, da sie jetzt schon von der Fülle der Biomarken und -siegel überfordert sind. Wie lässt sich eine solche Differenzierung mit den Anforderungen der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise in Einklang bringen, die Grundlage unserer Aktivitäten bleiben müssen?

NEUE KONSTRUKTIVE UND BEWUSSTE WEGE FÜR EIN ZUKUNFTSFÄHIGES WIRTSCHAFTEN

Diesen Weg des klassischen Wirtschaftens halten wir für äußerst fragwürdig. Die alten, konventionellen Wirtschaftsprinzipien einfach nur auf den Biosektor zu übertragen, ist nicht tiefgreifend zukunftsweisend und nicht nachhaltig. Stattdessen ist es dringend notwendig, wirklich NEUE WEGE GEMEINSAM zu entwickeln, die den nächsten Generationen und unserem Planeten eine echte Zukunft sichern.

Zu solchen NEUEN WEGEN gehören:

- Solidarische Landwirtschaft (Solawis)
 - Gemeinwohlökonomie (Christian Felber)
- „Das Neue Dorf“ (u.a. Ralf Otterpohl bei RAPUNZEL im Juli 2018)
- Regionalwert AG (u.a. Christian Hiß)
- Achtsames Wirtschaften (Kai Rommel)
- Echte Basisdemokratie (u.a. Mehr Demokratie e.V.“, Der „Malser Weg“)
- u.v.m.

- Auf der Demeter-Wintertagung 2014 hatte Herr Dr. Ha Vinh Tho (Leiter vom Glückscenter in Bhutan) uns den Weg Bhutans vorgestellt, das sich am Bruttonationalglück orientiert und nicht mehr am BruttoinlandsproduktEin unglaublich ermutigendes Vorbild eines zukunftsweisenden, solidarischen Lebensmodells.

- Ebenfalls auf einer Wintertagung (2015) hatte Sascha Damaschun (Bodan) in einem Vortrag die „Wertschätzungskette“ vorgestellt, die den klassischen, profitorientierten Begriff der Wertschöpfungskette in Denken und Handeln ablösen sollte.

Wir können Bio-Anbau – aber Bio-Handel gibt es nicht“, so Damaschun. Es gilt, für den Bio-Handel eigene Kriterien zu entwickeln, die sich von den klassischen Handelsstrukturen unterscheiden.

- Der Weltagrarbericht von 2013 sagt ganz deutlich, dass die Zukunft der Welternährung und der zukünftigen Landwirtschaft in den kleinbäuerlichen Betrieben liege und dass die bisherige großbetriebliche und konventionelle Form ein Auslaufmodell sei.

Die Aussage von A. Gerber „Demeter passt nicht in den Discount“ halten wir für absolut zutreffend und möchten sie erweitern um den Zusatz: „… und auch nicht in Supermarktketten!“ Für den Demeterverband sind NEUE WEGE – noch – möglich und aus unserer Sicht existentiell notwendig! Wer – wenn nicht wir? Wann – wenn nicht jetzt?


DAHER STELLEN WIR FOLGENDEN ANTRAG

Der Vorstand möge die folgenden Punkte auf den nächsten Sitzungen der zuständigen Demeter-Gremien auf die Tagesordnung setzen.

1. Neuprüfung: Die bisher gefallene Entscheidung der Zusammenarbeit mit den Supermarktketten soll in der Bäuerlichen Gesellschaft im Norden und im gesamten Demeterverband nochmals auf ihre wirkliche Zukunftsfähigkeit hin geprüft, diskutiert und ggf. rückgängig gemacht werden. Diese Diskussion sollte insbesondere in Hinblick auf die tiefen Werte, die alle Demeter-Akteure auf allen Ebenen der Wertschätzungskette verbindet, erfolgen, aber auch in Hinblick auf den Klimawandel und die Verantwortung für die jetzigen und kommenden Generationen.

2. Basisdemokratie: Zukünftig sollen Grundsatzentscheidungen, die den Demeterverband betreffen, nicht nur von 50% der jeweils anwesenden Mitglieder in der Mitgliederversammlung oder nur von der Delegiertenversammlung entschieden werden, sondern solche Abstimmungen sollen in schriftlicher oder elektronischer Form durch alle Mitglieder erfolgen. Vielen kleinen Betrieben ist es aufgrund der hohen Arbeitsbelastung nicht möglich, regelmäßig an den Mitgliederversammlungen teilzunehmen. So würde eine echte Mitgliederentscheidung entstehen, was einem tiefgreifenden Demokratieverständnis entspricht.

3. Demeterkriterien: Der Demeterverband soll folgende Kriterien für die biodynamische Produktion und den Handel mit den zertifizierten Demeter-Waren zur Grundlage machen:

Qualität vor Quantität
Alle Demeter Richtlinien ernst nehmen und konsequent bewerten.
Bsp.: Hybrid-Tomaten mit Nährlösung sind nicht akzeptabel, keine großflächigen Monokulturen, keine Massentierproduktionsanlagen. 
Eine Aufspaltung der Demeterqualität in Demeter „Light“ und Demeter „Premium“ soll es nicht geben.

Solidarität
Kleinbäuerliche Betriebs- und Vermarktungsstrukturen und inhabergeführte Bioläden und Dorfläden sollen vorrangig gefördert werden; Direktvermarktung und Vermarktungspartnerschaften mit Erzeugern, Handel und Kunden anstreben - Solidarische Landwirtschaft und Vermarktung als Leitbild; Postwachstumskriterien (s. Nico Paech) sind zu berücksichtigen: große Betriebe sollen kleine fördern – Individualisierung statt Anpassung, Vielfalt statt Spezialisierung.

Gemeinwohltauglichkeit
Die Leitbilder einer Gemeinwohlökonomie (s. Christian Felber) sind dringend sowohl auf Demeter-Betriebe wie auch auf Vermarktungsentscheidungen anzuwenden.

Regionalität
Regionalität soll der primäre Maßstab sein: regionaler Handel geht vor nationalem Handel, der vor europäischem, der vor Welt-Handel. Bsp.: Wenn Demeter-Äpfel/Apfelprodukte von Norddeutschland an den Bodensee transportiert werden, dann ist das mit Demeter-Richtlinien nicht zu vereinbaren.

Faire Preise
Preise für überregional gehandelte Demeterprodukte sollen vereinheitlicht und höher angesetzt werden als bei anderen Bio-Verbänden (Bsp.: Eier L: 1,00€). Es bräuchte einen Finanzausgleich von überregional handelnden Demeter-Großbetrieben für lokal vermarktende Demeter-Kleinbetriebe und Demeter-Aktiv-Partner, für den Fall, dass der Großbetrieb dem lokalen Kleinbetrieb Konkurrenz macht.

Der amerikanische Traum

ist nicht für alle Menschen lebbar.

„Wir müssen einen anderen Traum träumen,

einen Traum von Brüderlichkeit, Schwesterlichkeit, von liebender Güte und Mitgefühl.“
Thich Nhat Hanh

Wir wünschen uns, dass Viele die genannten Kriterien für den künftigen Weg von DEMETER bewerben, begeistert aufgreifen und gemeinsam durchsetzen mögen, damit das geschieht, was auch der Wirtschaftsforscher Claus Otto Scharner (aufgewachsen auf einem Demeter-Hof in Norddeutschland) anregt:

Er ermutigt dazu, die biodynamischen Höfe zum Keimort für eine neue Art von sozialem Miteinander in Gemeinschaften, Kooperationen, solidarischen Formen der Landwirtschaft und ungewöhnlichen Modellen zu entwickeln.
(Quelle: 20 Demeter-Fakten, Demeter e.V.)

Göttingen, 11. Januar 2019

(Unterzeichnerliste aus Datenschutzgründen weggelassen)


[1] aus: Detjen, Joachim: Gedenkrede für Ulrich Uffrecht am 07.05.2021 (Physiker und ehemaliger Direktor der Halepaghen-
Schule in Buxtehude)

[2] vgl. C. Felber: Gemeinwohlökonomie, 2018 und https://www.ecogood.org 

[3] https://www.lichtenborner-kraeuter.de/gaertnerei/unser-selbstverstaendnis/

[4] https://weltagrarbericht.de

[5] Vgl. Club of Rome, Die Grenzen des Wachstums, München 1972

[6] https://www.lichtenborner-kraeuter.de/blog-news/gartentipp-torffreie-erde

[7] Vollständiger Text des Antrags siehe Anhang

[8] „Demeter“ ist eine Marke und rechtlich geschützt, der Begriff „biodynamisch“ bezeichnet eine Anbauweise, die rechtlich nicht zu schützen ist.

[9] vgl. hierzu den Artikel „Demeter - Nein danke“ von Christina Wolff und Udo Schäfer: www.kreuterey.de/demeter-nein-danke

[10] https://www.zeit.de/wirtschaft/2017-01/agrarindustrie-lebensmittel-grosskonzerne-monsanto

[11] https://stories.mightyearth.org/cargill_das_schlimmste_unternehmen_der_welt/;
vgl. Konzernatlas, 2017, v.a. S.30/31 (Konzerne in Ketten gelegt) und S.34/35 

[12] Goscinny & Uderzo: Obelix GmbH&Co.KG, Stuttgart 1978; bes. zu empfehlen die S. 36ff